Ellas Berufungsverhandlung â Zwischenbericht von Tag 1 und Tag 2
Am Montag, den 17.01.2022 begann vor dem Landgericht GieĂen der Berufungsprozess um den Fall der Klimaaktivistin Ella. Seit ihrer Verhaftung im Dannenröder Wald vor ĂŒber einem Jahr sitzt sie in Untersuchungshaft â dafĂŒr, dass sie sich wie tausende andere im Dannenröder Wald den Rodungsmaschinen in den Weg gestellt hat. Am 23. Juni 2021 wurde sie wegen tĂ€tlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in zwei FĂ€llen insgesamt zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil haben nun sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung von Ella Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft fordert drei zusĂ€tzliche Monate Haft fĂŒr Ella, wĂ€hrend die Verteidigung schwerwiegende Fehler sieht, die in der ersten Instanz begangen wurden und die sofortige Freilassung von Ella fordert.
Die Darstellungen des Geschehens von jeweils Staatsanwaltschaft und Verteidigung an jenem 26. November 2020 im Dannenröder Wald könnten nicht unterschiedlicher sein: Laut der Staatsanwaltschaft soll Ella zwei SEK-Beamte bei ihrer RÀumung gefÀhrdet und einen der beiden bei einem Tritt an den Kopf getroffen haben. Ella und ihre Verteidigung hingegen sagen, dass es zwar zu einer ausscherenden Bewegung von Ellas Fuà gekommen sei, die SEK-Beamten aber zu keinem Zeitpunkt getroffen wurde und diese auch sonst nicht durch Ella gefÀhrdet gewesen seien. Stattdessen wirft die Verteidigung den Beamten schweres Fehlverhalten im Amt vor, da einer der beiden Ella mit Eisenringen auf die HÀnde geschlagen hÀtte.
Der Fall Ella hat in den letzten Monaten immer wieder fĂŒr Aufsehen gesorgt. Aktivist:innen drehten beispielsweise den Film âEllaâ, in dem sie versuchten, ĂŒber das wahre Geschehen aufzuklĂ€ren. In der Dokumentation ist die Verhaftungsszene von Ella im Detail rekonstruiert und auf Videoaufnahmen zu sehen.
17.01.2022 – Tag 1
WĂ€hrend vor dem Gerichtssaal circa 50 Menschen mit Trommeln fĂŒr die Freilassung von Ella demonstrierten, erzĂ€hlte Ella am Montag im Gerichtssaal zum ersten Mal von der Situation, in der sie festgenommen wurde. Ruhig erklĂ€rt sie, wie sie eine Panikreaktion gehabt hĂ€tte, als die zwei SEK-Beamten an ihrer Sicherung zerrten und, dass sie einfach nur âweg von ihnen wollteâ. Die zwei Situationen, in denen Aktivist:innen im Dannenröder Wald durch Polizeieingriffe aus mehreren Metern Höhe abgestĂŒrzt seien, hĂ€tten ihr Angst gemacht. Ihre Aktionsform bezeichnet sie als „friedliche direkte Aktion“. Zu dem Urteil findet sie auch klare Worte: „Die Repression gegen mich bezweckt EinschĂŒchterung.“
Die Repression gegen mich bezweckt EinschĂŒchterung.
Ella
Am ersten Tag des Berufungsprozesses wurde auĂerdem ein Antrag von der Verteidigung gestellt, der die AussagefĂ€higkeit der beiden SEK-Beamten, die behaupteten Ella habe sie gefĂ€hrdet und in einem Fall am Kopf getroffen, ankreidete. Die beiden Beamten, auf deren Aussagen die Beurteilung von Ella hauptsĂ€chlich beruht, möchten anonym bleiben. Es gebe aber keinen Grund, diese AnonymitĂ€t zu bewahren, denn eine GefĂ€hrdung der Beamten existiere nicht, argumentierte die Verteidigung. Ihre AnonymitĂ€t fĂŒhre dazu, dass man anzweifeln könne, dass ihre Aussagen der Wahrheit entsprechen.
19.01.2021 – Tag 2
Am zweiten Tag des Prozesses wurde im Gericht hauptsĂ€chlich Beweismaterial (Videoaufnahmen) gesichtet. Die StaatsanwĂ€ltin Schellenberg vertrat die eigentliche StaatsanwĂ€ltin, da diese verhindert war. Nach anfĂ€nglichen Technik-Schwierigkeiten schauten sich die Anwesenden vom Richter vorausgewĂ€hlte Videosequenzen an, welche die RĂ€umungssituation von Ella aus verschiedenen Perspektiven zeigten. Eine FuĂbewegung von Ella in Richtung von Kopf einer der beiden SEK-Beamten K214 und D111 war auf einem der Videos sichtbar, die Situation wurde aber gröĂtenteils von einem Baum verdeckt. Dass die FuĂbewegung nicht traf konnte also noch nicht festgestellt werden. AuĂerdem war auf dem Video zu hören, wie ein Beamter darauf hinweis, dass die zwei SEK-Beamten ohne offizielle Anweisung die RĂ€umung von Ella begannen. Am Montag soll der Rest des Videomaterials gesichtet werden.
Des Weiteren wurde von der Verteidigung heute ein Antrag gestellt, der die Anonymisierung der beiden SEK-Beamten ankreidete. Die Verteidigung wies darauf hin, dass die SEK-Beamten gemÀà der Rechtsordnung als NebenklĂ€ger nicht anonym bleiben dĂŒrften. Es wurde ein Gerichtsbeschluss beantragt. Die Antwort der Staatsanwaltschaft ist wahrscheinlich am Montag zu erwarten.
Der aktuelle Plan fĂŒr die nĂ€chsten Gerichtstermine:
- 24. Januar: Sichtung vom Rest des Video-Materials, Laden der Zeugin aus dem PolizeiprĂ€sidium SĂŒdost Hessen RKI Main-Kinzig
- 04. & 09. Februar: Laden der SEK-Beamten K214 und D111 als Zeugen
Foto: Clara Thompson