LĂŒcke im Terminplan entdeckt: Klima-Aktivist Samuel Bosch trat selbst bestimmt seine Haft an
Nachdem der WaldschĂŒtzer der Haftvorladung aus Göppingen am vergangenen Donnerstag nicht nachgekommen war, trat er seine Haft nun selbst bestimmt eine Woche spĂ€ter am 21.3.2024 an.
„Ich hatte einige feste Termine fĂŒr meinen Klima-Aktivismus, daher wĂ€re ein pĂŒnktlicher Haftantritt unsinnig gewesen. Da ich in drei Wochen, im April, weitere Termine habe, werde ich am Donnerstag gegen 13 Uhr meine Haft selbst bestimmt antreten“, so Bosch.
Die Zeit seit dem 14.3., an dem Bosch ursprĂŒnglich die Haftstrafe hĂ€tte antreten sollen, verbrachte er, trotz Festnahmerisiko, mit der FortfĂŒhrung seines Aktivismus. „Wie normalerweise auch, bin ich mit Menschen ĂŒber soziale und klimagerechte Transformation ins GesprĂ€ch gekommen, deshalb war ich bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion, fĂŒhrte Interessierte im Rahmen des wöchentlichen Waldrundgangs durch die Besetzung im Altdorfer Wald und hörte mir eine Diskussion im „Denksalon“ des neuen Ravensburger Kunstvereins mit OberbĂŒrgermeister Rapp ĂŒber Rechtsextremismus an.“
Bei der Podiumsdiskussion am Ulmer Theater vergangenen Freitag, war es Bosch trotz Polizeiaufgebot vor dem GebĂ€ude gelungen, sich unbemerkt zu entfernen. Auch im Altdorfer Wald konnte die Polizei ihn trotz deutlich erhöhter PrĂ€senz am Wochenende nicht festsetzen. Zudem hĂ€ngte er mit einigen anderen Aktivist*innen zwei Protestbanner vor die Jugendarrestanstalt in Göppingen: „KlimaschĂŒtzen ist kein Verbrechen“ war dort zu lesen, daneben das Banner von der Aktion, fĂŒr die Bosch verurteilt wurde: „Lohwald-Rodung genehmigen trotz laufender Gerichtsverfahren? Frech!“
Kritik am Gericht
UnterstĂŒtzerinnen von Bosch werfen dem Gericht die Behinderung der Verteidigung vor. So wurden bis zuletzt wichtige Unterlagen und Informationen zurĂŒckgehalten, BeweisantrĂ€ge vor Gericht nicht zugelassen, sowie das Urteil nicht zugestellt. Erst mit monatelanger Verzögerung tauchte es schlieĂlich in den Gerichtsakten auf. Damit wurde der weitere Rechtsweg, in Form einer Verfassungsbeschwerde erst nach der Haft von Boschs Mitstreiterin, Charlie Kiehne, möglich.
Es entsteht der Eindruck, dass nicht die juristische EinschĂ€tzung, sondern die Wut ĂŒber die AufmĂŒpfigkeit der Aktion entscheidend waren
„Das Urteil ist in meinen Augen ungerecht und unverhĂ€ltnismĂ€Ăig. Ich weiĂ, dass die Klimabewegung mit diesem Urteil eingeschĂŒchtert werden sollte. Es wurde ein Exempel an Samuel statuiert, aber gemeint sind wir alle.“ so Martin Lang (57), ein UnterstĂŒtzer der Aktivist*innen. „Es entsteht der Eindruck, dass nicht die juristische EinschĂ€tzung, sondern die Wut ĂŒber die AufmĂŒpfigkeit der Aktion entscheidend waren“, so Kiki Köffle (20), die den Prozess damals verfolgte. „Wir sollten uns als Gesellschaft darauf einigen, angesichts der Klimakrise endlich zu handeln, statt Aktivisti zu bestrafen.“
Die Probleme im Justizsystem sehen die Aktivist*innen aber nicht auf diesen Prozess beschrĂ€nkt: Bei einer Aktion zum öffentlichen Nahverkehr kritisierte Bosch zusammen mit Mitstreiter:innen die hohe Zahl armer Menschen in deutschen GefĂ€ngnissen, die aufgrund nicht gezahlter Geldstrafen wegen Schwarzfahrens, einsitzen. Insgesamt handelt es sich jĂ€hrlich um 7.000 Menschen in Deutschland. In armen GroĂstĂ€dten wie Berlin sitzt jeder dritte Gefangene wegen Schwarzfahrens.
Hintergrund
Das ursprĂŒngliche Banner in Augsburg war Teil einer Protestaktion gegen die Rodung eines besonders geschĂŒtzten Bannwaldes, bei Biberbach in der Region Augsburg. Dieser wurde im Herbst 2022, trotz laufender Klage der anliegenden Gemeinde und des BUND Naturschutz, fĂŒr die Erweiterung eines Stahlwerks von Max Aicher, vorzeitig gerodet. Eine geheime und zweifelhafte Ausnahmegenehmigung, ausgestellt vom Regierungsbezirk Schwaben, machte die Rodung möglich.
Als Reaktion auf diese fragwĂŒrdigen UmstĂ€nde, hingen Samuel Bosch, Charlie Kiehne und Ingo Blechschmidt im Rahmen einer Kletteraktion das satirische Banner „Lohwald-Rodung genehmigen trotz laufender Gerichtsverfahren? Frech!“ an die Fassade des RegierungsgebĂ€udes (siehe Berichterstattung).
Im Oktober 2023 wurden Kiehne und Bosch schlieĂlich wegen ĂŒbler Nachrede gegen den, mittlerweile beförderten, PrĂ€sidenten der Regierung von Schwaben in Augsburg zu einer, bzw. drei Wochen Haft (Jugendarrest) verurteilt. Charlie Kiehne hat eine Woche Haft bereits im Februar abgesessen. Ăber eine Verfassungsbeschwerde zu dem Urteil wurde noch nicht entschieden.
Haftantritt und Soli-Briefe
Samuel hat seine Haft am 21.3.24 um 13.12 Uhr aufrecht und selbst bestimmt angetreten. Rund 30 UnterstĂŒtzer*innen begleiteten seinen Haftantritt mit einer Kundgebung. Wenn ihr Samuel wĂ€hrend seiner Haft einen Brief schreiben wollt, nutzt gerne die folgende Adresse:
Samuel Bosch
Jugendarrestanstalt Göppingen
SchloĂplatz 2
73033 Göppingen