Emmauswald bleibt!

Die Initiative “Emmauswald bleibt” setzt sich aus Neuköllner:innen zusammen, die den Schutz des Waldes auf dem ehemaligen Emmauskirchhof für zwingend erforderlich halten und damit die geplante Bebauung durch Eigentumswohnungen auf dem Gelände sehr kritisch sehen. Die Petition gegen die Bebauung des ehemaligen Friedhofs hat bereits über 6.000 Unterschriften, ebenso hat FluxFm über die Bebauungspläne berichtet.

Worum geht es uns?

Auf politischer Ebene wird seit über 10 Jahren über die Bebauung des  estlichen Teils des Emmausfriedhofs diskutiert. Für die östlichen Teilflächen des Emmauskirchhofs, der Grundstücke Mariendorfer Weg 48 sowie Hermannstraße 133, hat das Bezirksamt Neukölln in seiner Sitzung am 20. April 2021 bereits beschlossen, das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans XIV-286b einzustellen. Aktuell ist im Neuköllner Stadtentwicklungsamt der Bebauungsplan XIV-286a “Emmauskirchhof West” in Arbeit, welcher laut Prioritätenliste bald zur Abstimmung gebracht werden soll. Hier plant aktuell die BUWOG / VONOVIA ein Neubau-Areal mit 441 Wohnungseinheiten zum Eigentum. Dieser soll die Grundlage dafür bieten 3,9 Hektar denkmalgeschützten Friedhof mit über 80 “besonders wertvollen und prägenden” Bestandsbäumen1 zu roden. Laut Kartierung des Bezirks (Stand 2013) stehen auf dem Emmauskirchhof West 725 Bäume, wovon bereits 2013, 231 Bäume als erhaltenswert eingestuft wurden. Darunter sind 84 besonders wertvolle und prägende Bestandsbäume mit Stammumfängen >130 cm gelistet, unter denen sich Linden, Eichen, Ahorn und Kastanien befinden. Statt einem artenreichen Biotop mit seltenen Vogelarten wie dem Grünspecht und dem Mäusebussard, sollen hier Neubauten mit reinen Eigentumswohnungen und Tiefgarage entstehen.

Wir wollen mit Ihnen, den Entscheidungsträger:innen im Bezirk, dazu ins Gespräch kommen und unsere Anliegen in den Prozess einfließen lassen. Wir fordern dafür eine öffentliche Konsultation für den Bebauungsplan XIV-286a “Emmauskirchhof West” und ein direktes Gespräch mit den zuständigen Personen im Bezirksamt.

Warum wollen wir das?

Ökologische wie soziale Faktoren bringen uns dazu, diesen alten innerstädtischen
Mischwaldbestand als extrem schützenswert zu erachten:

Biodiversität

Die großen Friedhofsflächen entwickelten sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Wald samt dort brütenden Greifvögeln, alten Baumbeständen und anderen Tierarten. Laut Senatsverwaltung befinden sich am Standort “wertvoller Baumbestand, sowie streng geschützte Vogelarten, wie Grünspecht und Mäusebussard. Fledermäuse werden wegen der großen alten Bäume vermutet.” (…) Bereits Berlins alter Umweltstadtrat Bernward Eberenz warnte ausdrücklich davor, dieses einmalige, artenreiche und hoch entwickelte Biotop samt altem Baumbestand zu zerstören. Auf der brach gelegenen Friedhofsfläche hat sich zudem eine artenreiche Flora und Fauna entwickelt, sowie ein stetiges Habitat für Vögel, Igel, Eichhörnchen, Füchse, Schnecken, Schmetterlinge und Insekten. Die darin vorzufindende Biotop-, Tier- und Pflanzenwelt würde auf 0 gesetzt werden – Eine Bebauung der Fläche würde dieses Biotop  änzlich zerstören. Dies steht jedoch u.a. im Konflikt mit den Zielen der Zählgemeinschaftsverordnung (2021) von Neukölln: “Wir setzen den Kurs für den Erhalt ökologisch wichtiger Biotope fort und investieren in Biodiversität und Klimaanpassung” sowie “Der Anteil an Grün- und Freiflächen soll insbesondere im Norden des Bezirks erhöht werden”.

Klima

Die ökologischen Funktionen, die von diesem einmaligen, artenreichen Biotop ausgehen, sind kaum zu überschätzen und nicht zu ersetzen. Laut dem „Umweltatlas Berlin” ist der Emmaus Kirchhof “stadtklimatisch von Bedeutung”. Denn solche Flächen sind ebenso für Kalt- und  irschluftschneisen, Kaltluftentstehung und örtliche bzw. überörtliche Luftleitbahnen verantwortlich, welche im Kontext der Klimakrise und immer heißer werdender Sommer, immer dringender an Relevanz gewinnen: Im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel wird bereits jetzt deutlich, dass die Anzahl von Tropennächten und Hitzetagen in Berlin weiter zunehmen wird – und damit der urbane Hitzeinseleffekt. Gerade Nord-Neukölln ist stark davon betroffen, da hier eine große Versiegelungs- und Bevölkerungsdichte auf verhältnismäßig wenig Grünflächen trifft.

Sehr große, alte Baumbestände sind in Hinblick auf kommende Hitzewellen existentiell, denn neben anderen wichtigen Funktionen, die sie erfüllen – etwa als Lebensraum für die urbane Artenvielfalt – haben Stadtbäume die Fähigkeit, sowohl passiv als auch aktiv ihre Umgebung abzukühlen. Laut Senatsverwaltung wird der Boden “als besonders schutzwürdig eingestuft, die Regelfunktion für den Wasserhaushalt und gleichzeitig die Puffer- und Filterfunktion sind hoch zu bewerten. Flächen wie der Emmaus Kirchhof leisten einen wesentlichen Beitrag für die Grundwasserneubildungsrate und die Niederschlagsversickerung und tragen maßgeblich zur Erhöhung der Bodenfunktionen bei. Ebenso speichern Bäume in ihren Blättern, im Holz und in den Wurzeln im Boden CO2 und verlangsamen damit den Klimawandel. Durch ihr Wurzelwerk, befähigen sie Niederschläge dazu, in den Boden zu gelangen, anstatt bei Extremwetterereignissen weggespült zu werden, und stoppen starken Wind. Der Schutz des Emmaus Kirchhofs als Waldfläche ist daher ein wichtiger Schritt zu einem klima- angepassten und -resilienten Bezirk.

Dabei können Neupflanzungen niemals den Altbestand ersetzen: Je älter der Baum, desto größer seine Krone – und eine große Krone kann mehr Schatten und Kühle spenden und mehr CO2 aufnehmen. Wenn man die Bedeutung und Zukunftsaussichten von Bäumen betrachtet, müssen vitale Bäume schon ab einem Alter von 40 Jahren als  besonders schützenswert gelten, heißt es in dem Abschlussbericht des Forschungsprojekts Stadtbäume im Klimawandel (SiK) der Universität Hamburg. Diese Bäume haben bereits ihre Zukunftsfähigkeit unter Beweis gestellt und besitzen das Potenzial, zunehmende Probleme mit Baumkrankheiten, Baumschädlingen, Schadstoffen und den sich abzeichnenden Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Das Gebiet ist zudem gesundheitsrelevant, da Wälder Luftschadstoffe der  mliegenden Straßen reduzieren, eine Kaltluftschneise in immer heißer  werdenden Sommern darstellen, die Lärmbelästigung mindern und nachweislich zu mehr Lebensqualität durch Wohlbefinden fördern.

Eine Bebauung hat unvermeidlich  negativen Einfluss auf die biotische  Qualität und würde die binnenklimatisch günstige Wirkung auf die umliegenden Kieze reduzieren. Das wird auch im Bericht an das Bezirksamt Neukölln festgehalten.3 Der Schutz des Emmaus Kirchhofs als Waldfläche würde somit zentral zu einigen Zielen der Zählgemeinschaftsverordnung (2021) in Neukölln beitragen, so u.a. zum Ziel:“ zur Umsetzung eines  klimaneutralen Berlins mit einem klimaneutralen Bezirk beizutragen.”

Umweltgerechtigkeit

Jeder Berliner hat das Anrecht auf 6 Quadratmeter wohnortnahe Grünfläche – in Nord-Neukölln sind es derzeit weniger. Durch Zuzug und laufende Nachverdichtungen und Neubautätigkeiten ist die Tendenz weiter fallend. In einem Bezirk in dem pro PKW mehr Stellplatzfläche (9,2m²) bereitgestellt wird als Grünfläche pro Einwohner:in (6,4m²)4, fragen wir uns, ob nicht eher über die Umgestaltung von Straßen, als über die Reduktion von Grünflächen nachgedacht werden sollte. Dieser Gegend würde durch die Rodung dieses Waldes ein grundlegendes Element urbaner Lebensqualität verloren gehen. Dieser Wald samt unversiegeltem Boden, hat eine hohe Bedeutung für das Klima, sowohl lokal als auch gesamtstädtisch, für die Erholung der Bevölkerung, für die Identifizierung der Bewohner:innen mit ihrem Stadtteil, als Refugium für Tiere, Pflanzen, Biotope und für den gesamtstädtischen Biotopverbund. Alte Friedhöfe wie dieser sind als innerstädtische Grünflächen für die stille Erholung, als Kaltluftentstehungsgebiete sowie als Naturoasen extrem wichtig.

Die direkte Umgebung des Emmaus Kirchhofs wird laut Umweltgerechtigkeits-Atlas (2021/22) bereits als extrem belastet eingestuft. Der Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Klinik sowie am Mariendorfer Weg verändert bereits jetzt durch die über 600 neuen Wohneinheiten merklich den Nutzungsdruck auf die bestehenden Frei- und Grünflächen im Park über der A100. Der viel frequentierte  Verbindungsweg zwischen dem Mariendorfer Weg und dem an der Ellricher Straße beginnenden Kiez würde durch die Bebauung wegfallen. Bisher haben die umliegenden Kindertagesstätten den Wald als Lernort genutzt, um Stadtkindern die Natur und damit deren Schutz näher zu bringen.

Aufgrund des großen Verlustes an Vegetationsflächen kann im Planungsgebiet kein vollständiger Ausgleich der Eingriffe in dieses Schutzgut hergestellt werden. Der Verlust an Baumbestand ist ebenfalls trotz umfangreicher Festsetzungen zur Erhaltung der Bäume so hoch, dass innerhalb des Geltungsbereiches ein vollständiger Ausgleich des Eingriffs nicht möglich sein wird. Die Naturhaushaltswirksamkeit des Bodens wird sich aufgrund des hohen Anteils an Neuversiegelung verschlechtern, die entstehenden Eingriffe lassen sich nicht innerhalb des Geltungsbereiches kompensieren. Die stadtklimatische Funktion der Fläche wird sich ebenfalls verschlechtern. Das Orts- und Landschaftsbild wird vollständig verändert.

Die Auswirkungen und die zu erwartenden negativen Folgen für Natur und Landschaft sind bezogen auf die Schutzgüter Boden, Naturnähe des Wasserhaushalts, stadtklimatische Funktionen sowie den Biotopverbund trotz der im Geltungsbereich geplanten Festsetzungen zur Kompensation des Eingriffs gravierend. Weitere geeignete, für eine Vollkompensation erforderliche Flächen für Maßnahmen zum  Ausgleich von Eingriffen stehen gemäß “Mitteilung der Abteilung Umwelt und Natur des Bezirksamts Neukölln” vom 07.08.2018 nicht zur Verfügung.

Die Bebauung würde ebenso dem Ziel der Zählgemeinschaftsvereinbarung (2021) für Neukölln in Konkurrenz stehen: “Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass bei Bauvorhaben angemessene Ausgleichsmaßnahmen möglichst ortsnah stattfinden und Potenzialflächen für Wohnungsbau darauf geprüft werden, dass Grün- und Naturbereiche erhalten werden, um Biotope und Erholungsräume zu berücksichtigen.”

Soziales

Berlin braucht bezahlbaren Wohnraum, das steht außer Frage. Allerdings sind auf der Waldfläche des Emmaus Kirchhofs keine sozialen Wohneinheiten geplant: Laut Vorstellung der BUWOG / Vonovia (von 2017) sollen hier 440 Eigentumswohnungen entstehen. Außerdem eine Tiefgarage und eine private, eingezäunte Parkanlage:

Laut BUWOG ist auf dem Gelände kein bezahlbarer Wohnraum oder Gewerbe sowie keine soziale Infrastruktur o.ä. geplant. Auch dies steht in Konflikt mit den Vereinbarungen der Zählgemeinschaft (2021) für Neukölln: “Wo immer möglich, sollen Eigentümer*innen verpflichtet werden, anteilig auch bezahlbare Wohnungen zu errichten. Außerdem sollen Modelle entwickelt werden, um Flächen für soziale Infrastruktur, weitere soziale und kulturelle Nutzungen und bezahlbares Gewerbe zu sichern.”

Laut BUWOG wird ein deutlich großer Teil durch den Neubau versiegelt, außerdem ist der Bau von mindestens einer Tiefgarage geplant und eine  eigens angelegte Straße durch die Wohnblöcke. Der Bau einer Tiefgarage kommt einer vollflächigen Versiegelung der Fläche gleich. Eine Substratschicht ermöglicht zwar die oberflächliche Versickerung von Wasser und die Neupflanzung von Bäumen, das Wachstum dieser Bäume ist allerdings stark eingeschränkt, wie in  unmittelbarer Nähe des Emmausfriedhof, auf dem Dach der A100 zu beobachten ist. Die Zählgemeinschaft (2021) für Neukölln hatte sich jedoch einst darauf verständigt: “Wir gehen verantwortungsvoll und sparsam mit bebaubaren Flächen um, Flächenversiegelung wollen wir minimieren” sowie “Regenwasserversickerung, Dach- und Fassadenbegrünung, Artenschutz und Erhalt der Biodiversität müssen von Beginn an mitbedacht werden”.

Aus unserer Sicht ist eine Machbarkeitsstudie notwendig, um Potenzialflächen für Wohnungsneubau in der Umgebung über Gebietsgrenzen hinweg detailliert zu untersuchen und Alternativen für ökologischen und sozialen Wohnungsbau aufzuzeigen. Änderungen bestehender B-Pläne, Nutzung bereits versiegelter Flächen, Aufstockungen 1-geschossiger Gebäude und Mischnutzungen sollten dabei ausdrücklich mit in Betracht gezogen werden.
So befinden sich in unmittelbarer Umgebung mehrere Autohändler und KFZ Werkstätten, die sich laut FNP auf Wohnungbauflächen befinden. Direkt hinter der Bezirksgrenze befindet sich zudem ein nahezu ungenutzter Parkplatz der Firma ASML, die direkt am Gebäude bereits mehr als 100 Stellplätze nachweisen kann.

Ausreichend direkte und öffentlich zugängliche Grünflächen müssen aus ökologischen und sozialen Gesichtspunkte bei Neubauten Standard sein. Neubau darf keinen erhöhten Nutzungsdruck auf Naturflächen schaffen. Wir brauchen kreative, neue Lösungen. Die konventionellen Ansätze sind Teil des Problems.

Vision

In der Zählergemeinschaftsvereinbarung zwischen SPD und Grünen für Neukölln steht: “Wir unterstützen es, Orte wie die Urbanen Waldgärten als Erholungsorte für die gesamte Stadtgesellschaft zu öffnen und möchten bezirksweit neue Formen des gemeinschaftlichen Gärtnerns ermöglichen. Unser Ziel ist es, dass Räume bereitgestellt werden, um Kindern und Jugendlichen nach der Schule, am Wochenende und in den Ferien in allen Kiezen und Ortsteilen Neuköllns ein umfangreiches, vielfältiges und attraktives Angebot machen zu können.5” Wir als Initiative teilen diese Ansicht und haben eine Vision: Wir möchten ökologische Schutzfaktoren und soziale Faktoren zusammendenken und an diesem Ort ein Beispiel für ein resilientes, zukunftsfähiges Berlin schaffen. Der Wald wurde bis dato verhältnismäßig wenig von Menschen genutzt, da es sich um ein abgesperrtes Areal und damit um weitgehend geschützte Grünflächen handelt. Wir sehen in dem Wald das Potential den langfristigen Nutzen, nämlich den der lebenswerten und klimawandel-resilienten Stadt, vor dem kurzfristigen Nutzen der Eigentumswohnungen, zu priorisieren und damit in der Klimakrise das Richtige zu tun und zukünftigen Generationen eine atembare Stadtluft und lebenswerte Welt zu schenken.

Dieser Wald könnte ein Pilotprojekt werden, um Waldgarten und Lernort zusammenzubringen. Wir stellen uns ein offenes Naturklassenzimmer für die umliegenden Kindertagesstätten vor, in welchem Stadtkinder gesunden Boden samt Regenwürmern anfassen und erleben können. Klimaschutz fängt bei den Kleinsten unserer Gesellschaft an – wenn Kinder Natur hautnah erleben können und vermittelt bekommen, welche Funktionen der Wald hat und wie er uns schützt, ist der erste Samen gesät, um eben diesen zu schützen und damit das zu schützen, was uns schützt. Ein Aussichtsturm kann einen Einblick in die Baumwipfel schenken und erklären, welche Tiere wo im Wald leben und wieso andere Wesen schützenswert sind. Wildblumenwiesen könnten gepflanzt werden, um dem Insektensterben entgegenzutreten. Hochbeete, Gewächshäuser, ein  Waldgarten und ein Lernort in Form eines Waldcafés könnten entstehen. In Zeiten von Corona sind Orte, an denen Menschen draußen sozialisieren können, immer relevanter. Alle Bäume sollen dabei erhalten bleiben und der Ort für die Nachbarschaft geöffnet werden – das ist unsere Vision.

Wir als Initiative “Emmauswald bleibt” fordern aus diesem Grund eine öffentliche Diskussion über die Entwicklung des Bebauungsplans XIV-286a. Am Ort des Geschehens soll während des B-Plan-Verfahrens in regelmäßigen Abständen über die geplanten Veränderungen informiert und Anwohner:innen an dem Verfahren beteiligt werden.

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