Moor bleibt Moor – Aktionsbündnis für Mobilitätswende und gegen A20 gegründet

Sie fordern eine sozial-ökologische Verkehrswende und wollen den Bau der A20 verhindern: Immer mehr Aktivistinnen richten ihre Aufmerksamkeit auf die geplante „Küstenautobahn“. Im März 2021 schließen sich verschiedene Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung aus dem Nordwesten zum Aktionsbündnis Moor bleibt Moor zusammen. Mit dabei sind Bürgerinneninitiativen, Gruppen der Fridays- und Parents For Future-Bewegung, Ende Gelände, Extinction Rebellion und die Umweltverbände Nabu und BUND. Seit Ende März veranstaltet das Bündnis jeden Donnerstag eine Mahnwache vor der Außenstelle der Autobahn GmbH in Oldenburg, die für die Planung der A20 federführend ist. Weitere Aktionen sowie die Vernetzung mit bundesweiten Aktivist:innengruppen sind in Planung. Damit sollen die Auswirkungen der Autobahn-Neubaus stärker ins öffentliche Bewusstsein gebracht und Druck auf die Politik aufgebaut werden.

Wovon sprechen wir hier?

Die A20 ist das größte Autobahnprojekt Deutschlands und sollte den Osten Deutschlands nach der Wende besser anbinden. Der heutige Ostteil wurde bereits vor einigen Jahren fertiggestellt, während der „Westteil“ ehemals den Namen A22 trug. Die Umbenennung erfolgte 2010, um einen angeblichen Lückenschluss zu suggerieren.
Der über 200 Kilometer lange Streckenverlauf beginnt an der A28 bei Westerstede, führt über Jaderberg, den Wesertunnel, Bremervörde, einen neuen Elbtunnel bei Glückstadt und verläuft nördlich von Hamburg bis nach Bad Segeberg, wo die Trasse an den Ostteil angebunden werden soll.

Klimaschäden und Zerstörung von Ökosystemen

Laut Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist die A20 nicht nur das größte, sondern auch das umweltschädlichste Straßenprojekt. 20% der gesamten deutschen CO2-Emissionen, welche maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich sind, stammen aus dem Verkehrssektor. 2019 hat sich die Bundesregierung vorgenommen, die Emissionen im Verkehr bis 2030 um 40% im Vergleich zu 1990 zu senken. Die Küstenautobahn würde diesem Ziel nicht nur im Wege stehen, sondern sogar in die entgegengesetzte Richtung steuern.
Im BVWP wird damit gerechnet, dass durch das zusätzliche Verkehrsaufkommen auf der A20 pro Jahr 50 000 Tonnen CO2 zusätzlich freigesetzt werden würden – allein durch den Ausstoß der Fahrzeuge. Doch die Zahlen sind geschönt: Für die Berechnung wird die Zeitersparnis gegen die tatsächlichen Emissionen gerechnet. Aber dieses Konzept funktioniert nicht: Der Bau neuer Autobahnen verringert erwiesenermaßen nicht die Zeit, die Menschen im Auto verbringen. Im Gegenteil: Neue Autobahnen erhöhen das Gesamtverkehrsaufkommen, die Emissionen wurden hier also bewusst nach unten gerechnet.

Die Rolle des Moors

Besonders klimaschädlich ist außerdem der Autobahnbau selbst und die damit verbundene Zerstörung der Gebiete, durch die die A20 verlaufen soll: 80% der Trasse sollen durch tiefgründiges Moor und Marschland führen. Moore sind wichtige CO2-Speicher und leisten einen enormen Beitrag zum Klimaschutz, denn kein Ökosystem kann so viel CO2 speichern wie das Moor. Allein in den ersten beiden Bauabschnitten der A20 würden 450 000 Tonnen CO2 auf einen Schlag frei. Dazu kommen die CO2-Emissionen, die das trockengelegte Moor dann in Zukunft nicht mehr binden kann. Ein weiteres Problem für Umwelt und Klima stellt die Zerstörung von Lebensräumen für viele Tier- und Pflanzenarten dar. Der Bau der A20 würde ganze Ökosysteme zerschneiden und langfristig zerstören. Betroffen sind unter anderem Fledermäuse und Moorfrösche, die schon heute bedroht sind.

Die Kosten des Autobahnbaus und die Frage nach der Wirtschaftlichkeit

Die Kosten für den Bau der Autobahn wurden im Jahr 2003 auf ca. 880 Mio. Euro prognostiziert. Seitdem sind die Kosten stetig gestiegen. Die neue Kostenstudie des BUND legt nun die wahren Zahlen offen: Ganze 7 Mrd. Euro soll die gesamte Trasse kosten. Auch eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag im April 2021 bestätigt diese enorme Kostensteigerung. Grund dafür sind neben gestiegenen Kosten im Bausektor der instabile Untergrund, auf dem die A20 gebaut werden soll. Wie schlecht Moorböden für große Infrastrukturprojekte geeignet sind, zeigt der Fall Tribsees: Dort sackte die Autobahn auf nicht tragfähigem Boden ab.
Auf deutschen Autobahnen fahren durchschnittlich 50 000 Fahrzeuge pro Tag, für die A20 geht der BVWP von nur ca. 19 000 Fahrzeugen aus. Die statistische Aufnahmefähigkeit von Bundesstraßen dagegen wird mit 18 000 Fahrzeugen am Tag aufnehmen angegeben – also fast genauso viele wie für die A20 prognostiziert. Die A20 ist also auch ökonomisch schlicht nicht tragbar.

Aus diesen Gründen setzt sich das Bündnis Moor bleibt Moor gegen den Bau der A20 ein. Teil des Bündnisses ist auch der „Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A20“, der sich bereits seit rund 15 Jahren bis zu 30 Initiativen unter dem Namen „A20-Nie“ gegen die „Küstenautobahn“ einsetzt. Die Initiativen leisten Aufklärungsarbeit, haben mehrere Studien zur A20 veröffentlicht und befinden sich im Gerichtsprozess gegen die A20. Im Falle einer juristischen Niederlage könnte der Bau noch in diesem Jahr beginnen. Doch der Ruf nach einer sozial-ökologischen Verkehrswende wächst europaweit und auch der Widerstand gegen dieses Infrastrukturprojekt aus dem letzten Jahrtausend wird immer größer und vielfältiger.

Bildquelle: Der Pilger

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