Vorläufiger Stopp der A20

Die Küstenautobahn A20 wird vorläufig nicht gebaut. Das verkündete das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag, dem 07. Juli. Es gebe zu viele Bedenken im Bereich der Stickstoffbelastung, womit der Planfeststellungsbeschluss für die Autobahn rechtswidrig und nicht nachvollziehbar sei. Klimaschutz spielte in dieser Entscheidung allerdings keine Rolle.

Der Entscheidung ging eine zwölfstündige Verhandlung am 31. Mai zuvor. Dort hatte der Umweltverband BUND in den Punkten Artenschutz, Wasserrecht und Klimawandel dargelegt, warum er den 13 Kilometer langen Bauabschnitt nordöstlich von Oldenburg, von der A28 bei Westerstede bis zur A29 bei Jaderberg, für rechtswidrig halte. Der Angeklagte, die Autobahn GmbH sowie die niedersächsische Straßenverkehrsbehörde, hatten wiederum versucht aufzuzeigen, warum die Autobahn rechtmäßig sei. Bereits in der Verhandlung zeichnete sich die Frage nach der Höhe der Stickstoffbelastung auf das FFH Gebiet Garnholt durch die Autobahn als zentraler Konfliktpunkt ab.

Bei dem verhandelten Küstenabschnitt handelt sich es um den ersten von acht geplanten Abschnitten der A20 durch Niedersachsen. Die verhandelte Teilstrecke sollte durch ein Waldstück sowie durch offene Feld- und
Wiesenlandschaften verlaufen. Dabei hätte die Trasse nah an dem FFH-Gebiet Garnholt vorbeigeführt, einem europäischen Schutzgebiet. Der BUND hatte deshalb erhebliche Bedenken wegen der Stickstoffbelastung.

Diese gab dem Gericht nun bei. Den Planern sei ein Fehler bei der Stickstoffberechnung unterlaufen. Die Stickstoffberechnung, die den Planungen zugrunde lag, war von Anfang an sehr auf Kante genäht, sagte die Vorsitzende Richterin Ulrike Bick. Dies liege unter anderem daran, dass den Planern Rundungs-, sowie Konfigurationsfehler bei der Berechnung unterlaufen wären. Damit stimme die Stickstoffberechnung grundsätzlich nicht, sondern sei zufällig.

Auch die neue Berechnung, die die Planer dem Gericht noch vor der Urteilsverkündung zukommen ließen, gewährleiste nicht, dass es nicht zu einer Überschreitung des Schwellenwerts für Stickstoff im FFH Gebiet Garnholt kommen würde. Es handele sich hierbei nämlich nur noch um 4 g bis die Obergrenze erreicht sei, mit welcher der die Belastung für das FFH Gebiet Garnholt zu hoch und damit rechtswidrig wäre.

Das Gericht appellierte bei der Urteilsverkündung zudem an die Behörden, dass sie ihre den Rechnungen zugrunde liegenden Zahlen Umweltverbänden schneller zur Verfügung stellen sollten. Unter anderem war die Urteilsverkündung verzögert worden, da der Beklagte zunächst nicht die für die Rechnung zur Stickstoffbelastung benötigten Zahlen nachvollziehbar gemacht hatte.

Erfolglos blieb die Klage des Umweltverbands BUND allerdings in allen anderen Belangen, unter anderem Arten- und Klimaschutz. Auch die weitere Klage eines Landwirts hatte keinen Erfolg. So urteilte das Gericht in Bezug auf die artenschutzrechtliche Aufwertung des Friedrichsfeld, welches als Ausgleichsfläche für die Autobahn geplant war, dass alle Anforderungen an eine Ausgleichsfläche erfüllt seien. Der Angeklagte habe überzeugend dargelegt, warum seine geplanten Maßnahmen eine Besserung der Fläche darstelle. Auch die Entwicklungszeiten seien in das Verfahren eingepreist. Der Bund hatte zuletzt in der Gerichtsverhandlung im Mai die Frage gestellt, ob das Friedrichsfeld als Ausgleichsfläche anerkannt werden dürfe, da die Fläche bereits jetzt als hochwertig gelte. Immerhin handele es sich beim Friedrichsfeld um ein FFH-Gebiet mit europäischem Schutzstatus.

Auch in puncto Fangverbot wies das Gericht die Kritik des BUNDs zurück. Der BUND hatte kritisiert, dass durch die Autobahn erhebliche Eingriffe in die Lebensräume von zahlreichen Arten erfolgen müssten und diese dadurch gefährdet werden würden. Das Gericht aber urteile, dass die Umsetzung von Tieren kein artenschutzrechtliches Verbot darstelle: denn es ginge ja darum, die Tiere zu schützen. Schließlich erklärte die Vorsitzende Richterin, dass den Angeklagten bei der Berücksichtigung des Klimaschutzes kein Fehler unterlaufen sei. Klimaschutzmaßnahmen müssten nicht im Rahmen von einer Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen, da das Gesetz in seiner alten Fassung zu nutzen sei. Die Küstenautobahn A20 wurde vor dem Jahr 2016 eingeleitet. Somit müssten ihre Klimafolgen nicht berücksichtigt werden. Auch das Inkrafttreten des Klimaschutzurteils vom April 2021 sei für die Beurteilung dieses Abschnittes irrelevant.

Das Gericht erkannte allerdings an, dass der Kläger erkenntlich gemacht hatte, warum die Auswirkungen der Autobahn auf das Klima eigentlich infrage gestellt werden müssten. Zum einen handele es sich bei der A20
um das längste Neubauprojekt des Bundesverkehrswegeplans. Die A20 führe durch zahlreiche Moorgebiete, die eine wichtige Funktion als Co2 Senken hätten. Zum anderen sei das globale Klima ja sehr wichtig, und die
Dringlichkeit des Themas werde auch im Klimaschutzabkommen von Paris aufgezeigt. Allerdings gebe es eben kein Gebot im Gesetz, das erlaube, solche Projekte wie die A20 grundsätzlich infrage zu stellen und
Entscheidungsspielräume neu zu öffnen. Das neue Klimaschutzgesetz könne auch nicht nachträglich auf einen gesamten Beschluss angewandt werden. Komplexe Infrastrukturprojekte könnten sonst nie zu Ende gebracht
werden, erklärte die Richterin.

Zudem sei die A20 sei eine politische Leitentscheidung. Als Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes wird das Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan als Vordringlicher Bedarf eingestuft. Damit entstehe eine Bindungswirkung für Behörden und Gerichte. Natürlich könne das Projekt noch scheitern, aber das Gericht betonte, dass es nicht im Rahmen seines Möglichkeitsbereiches liege, die Autobahn zu stoppen. Hier stoße die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der deutschen Rechtssprechung.

Hier muss das Klimaschutzgesetz noch nicht berücksichtigt werden. Noch nicht, betone die Richterin Ulrike Bick zum Abschluss. Bei den anderen Abschnitten, die vor allem durch Moore führen sollen, wiederum nämlich
werde das Klimaschutzgesetz gelten, versprach sie. Trotzdem empfindet Susanne Gerstner vom BUND das Entscheidung die Gerichts in Bezug auf Klimaschutz als ein Schlag ins Gesicht für die junge Generation, die heute mit ihm Gerichtssaal dabei war. Die A20 sei eines der klimaschädlichsten Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan. Sie sei froh über die rote Karte des Gerichts an die A20. Aber nun müsse die Umweltbewegung weiteren politischen Druck auf den Bundesverkehrsminister aufbauen, die Bedarfsplanung endlich zu überprüfen. Sobald diese überprüft wird, wird die A20 nicht mehr gebaut, so Gerstner.

Aktivist*innen kündigten bereits Proteste gegen die A20 für Berlin an sowie ein Aktionswochenende vom 15. bis 17. Juli bei der Besetzung der A20-Trasse bei Westerstede im Ammerland an. Es ist zu erwarten, dass der Bundesverkehrswegeplan in diesem Jahr noch überarbeitet wird. Zumindest sieht es so der Koalitionsvertrag vor.

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