Solidarität der Lobau-bleibt-Bewegung gegen Ausbau der Stadtautobahn in Wien

In der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember 2021 steckten Unbekannte einen Witterungsschutzturm auf der Besetzung der Lobau-Bleibt-Bewegung gegen die Stadtautobahn in Wien in Brand. Acht Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Turm, konnten den Flammen zum Glück aber unverletzt entkommen. Eine sich zur Tatzeit im Turm befindliche Schülerin schildert, wie sie realisierte, dass die Struktur in Brand gesetzt wurde: „Das ist die Aufforderung, die wir alle brauchen, wir rennen so schnell wir können. Neben unseren Schuhen fließt eine Flüssigkeit, aus der das Feuer aufsteigt. Wir bahnen uns einen Weg an den Flammen vorbei. Wir wissen, dass es Benzin ist. Ich rieche es, ich schmecke es.“ (Quellen: lobaubleibt.at, oe24.at). Dass Bürgermeister Michael Ludwig den Opfern mit seiner Aussage, es sei ein „Zeichen, dass ein rechtsfreier Raum in der Stadt kein Vorteil ist“ (Quelle: orf.at) eine Mitschuld an dem feigen Brandanschlag unterstellt, sorgt bei vielen noch immer für Fassungslosigkeit.

Dass sich so viele Menschen überhaupt gezwungen sehen, zivilen Ungehorsam zu leisten, ist auf die sich über Jahrzehnte erstreckende Weigerung der politischen Entscheidungsträger zurückzuführen, wissenschaftlich notwendige Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.

Neben unseren Schuhen fließt eine Flüssigkeit, aus der das Feuer aufsteigt. […] Wir wissen, dass es Benzin ist. Ich rieche es, ich schmecke es.

16-jährige Lobau-bleibt Aktivistin

Im November 2021 feierten die unermüdlichen Aktivist:innen, Anwohner:innen und NGOs der Lobau-bleibt-Bewegung einen riesigen Erfolg: Nach monatelangen Protesten gegen die Lobau-Autobahn stoppte die österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler nach erneuter Evaluierung der Umweltverträglichkeit das Bauprojekt Lobautunnel unter dem Naturschutzgebiet (siehe auch Lobau-Autobahn gestoppt!) . Dennoch beharrt die Stadt Wien auf den Bau des als „Stadtstraße“ verharmlosten und nun anschlusslosen Autobahnzubringers ohne auf seit langem vorliegende verkehrspolitische Alternativen im Bereich des öffentlichen Verkehrs einzugehen. Anstatt einen aufrichtigen, lösungsorientierten Dialog mit Verkehrsexpert:innen, Anrainer:innen, Klimawissenschaftler:innen und Aktivist:innen zu suchen, setzte die Stadt Wien im Dezember mit existenzgefährdenden Klagedrohungen in zweistelliger Millionenhöhe auf Eskalation. Selbst vor derartigen Einschüchterungsversuchen gegenüber Jugendlichen im Alter von 13 bis 14 Jahren schreckten die Verantwortlichen der Stadt nicht zurück.

Als Unterzeichner:innen dieses offenen Briefes nehmen wir unsere gesellschaftliche Verantwortung wahr, auf Seite der Wissenschaft, der Jugend und aller Generationen, für Klimaschutz, Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einzustehen. Das Verhalten der Stadtregierung gegenüber Klimaaktivist:innen deckt sich in den letzten Wochen weder mit den genannten Werten, noch mit den Klimazielen. Uns beunruhigen besonders Falschaussagen zu den Protesten und zur Stadtstraße selbst, die von hochrangigen Mitgliedern der Stadtregierung öffentlich getätigt oder in Form von Zeitungsinseraten der Stadt Wien verbreitet wurden.

Folgende erste Schritte von Bürgermeister Ludwig und der Stadt Wien halten wir für dringend nötig und nach den Vorfällen für mehr als angebracht

  • Sofortiges Fallenlassen der Klagedrohungen gegen Aktivist:innen und Unterstützer:innen.
  • Einstellung der im Raum stehenden Räumungsaktionen sowie von Vorarbeiten des Stadtstraßenprojekts für die Dauer der Gespräche .
  • Die Gewährleistung von Schutz der Aktivist:innen, um Attacken wie die vom 31.12.2021 zu verhindern.
  • Offizielles Bekenntnis dazu, dass Protestaktionen, wie sie gegen die Stadtstraße stattfinden, Teil einer demokratischen Gesellschaft sind.
  • Übernahme von Verantwortung für die Drohbriefe mit den Klagsdrohungen und abwertenden Statements der Stadt zu den Protesten, sowie Richtigstellungen von getätigten Falschaussagen.

Wir sind zuversichtlich, dass ein baldiges Einlenken der Stadtregierung und eine respektvolle, bedachte und zielorientierte Gesprächsführung zwischen den beteiligten Parteien möglich ist. Damit wir zusammen gegen die Klimakrise vorgehen und in der Donaustadt mit durchdachten, klimatauglichen Konzepten für Verkehrsentlastung sorgen und eine Verkehrswende einleiten können. Denn es gilt jetzt zu handeln und mutige Schritte zu setzen. Und das schaffen wir nur gemeinsam.

Unterzeichnende

  • ATIGF (Föderation der ArbeiterInnen und Jugendlichen aus der Türkei in Österreich)
  • Attac Österreich
  • AvEG-KON (Föderation der unterdrückten MigrantInnen in Europa)
  • DHD (Verein der demokratischen Rechte in Wien)
  • Extinction Rebellion Österreich
  • Fridays for Future Deutschland
  • Grandparents For Future Österreich
  • Klimapiraten/ Piraten Österreich
  • Koala Kollektiv
  • Kommunistische Jugend Österreichs
  • Kommunistischer Studierendenverband – KJÖ
  • KOMintern
  • KZ-Verband/VdA Wien
  • Lützerath Lebt!
  • Offensive gegen Rechts
  • Parents For Future Österreich
  • Piratenpartei Graz
  • Piratenpartei Österreichs
  • RiseUp4Rojava
  • She drives Mobility
  • SKB (Bund Sozialistischer Frauen)
  • VTID (Verein der ArbeiterInnen aus der Türkei in Wien)
  • Wald Statt Asphalt Bündnis
  • Workers For Future Österreich
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