Fecher bleibt: Ein Statement vom Baum

Die folgende Rede wurde am 21.01.2023 während einer Solikundgebung anlässlich der Räumung des Fechenheimer Waldes von einem symbolisch besetzten Baum in der Wiesbadener Innenstadt gehalten:

Am 29. April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung als in Teilen verfassungswidrig erklärt. Das Gericht urteilte, dass es nicht ok sei, dass eine Generation, große Teile unseres noch vorhandenen CO2-Budgets verbraucht und die radikalen Einsparmaßnahmen, die notwendig sind, um das 1.5-Grad-Ziel noch zu erreichen, kommenden Generationen überlässt.

Das Gericht berief sich dabei auf unser Grundgesetzt. Denn laut Artikel 20 hat der Staat die Verantwortung, die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen zu schützen.

Dieses wegweisende Urteil liegt nun fast zwei Jahre zurück. Aber was hat sich seitdem verändert? Bei weitem nicht genug. Der Verkehrssektor etwa liegt so weit hinter seinen Klimazielen zurück, dass Verkehrsminister Wissing seinen letzten Bericht erst gar nicht abgegeben hat.

Aber wer hätte es nach dem Urteil im April 21 für möglich gehalten, dass heute, im Jahr 2023 noch immer geschützte Wälder für den Bau neuer Autobahnen zerstört werden?

Geschützte Wälder wie der Fechenheimer Wald in Frankfurt. Ein anerkanntes FFH-Schutzgebiet, laut Arten- und Biotopschutzkonzept von herausragender Bedeutung und Heimat zahlreicher, teilweise streng geschützter Arten.

Noch immer lassen Gerichte die Zerstörung solcher Gebiete in Ausnahmefällen zu, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt. Aber leider sind diese „Ausnahmefälle“ alles andere als die Ausnahme und die Definition von „öffentlichem Interesse“ ohnehin Auslegungssache.

Aber die Öffentlichkeit, das sind wir. Und ich frage euch: Wie können wir, die Öffentlichkeit im Jahr 2023 – wie können wir inmitten einer eskalierenden Klimakrise – wie können wir inmitten des größten Artensterbens unseres Planeten – wie können wir in diesen Zeiten ernsthaft Interesse daran haben, dass weiterhin geschützte Wälder für den Bau neuer Autobahnen zerstört werden?

Wir sind heute hier um eins klar zustellen: Die Zementierung unserer Lebensgrundlagen ist NICHT in unserem Interesse!

Wie kann es überhaupt sein, dass noch immer besonders seltene, schützenswerte Arten entdeckt werden müssen, damit Menschen gegen solche irrwitzigen und aus der Zeit gefallenen Bauvorhaben klagen können? Warum muss immer erst ein Bergmolch, ein Heldbock oder eine Bechstein­fledermaus gefunden werden, damit Gerichte sich mit dem Fall befassen?

Artikel 20a, Grundgesetz: Der Staat ist in der Verantwortung, die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen zu schützen.

Reicht das nicht als Begründung?

Es kann nicht sein, dass auf Grund von Beschlüssen aus dem letzten Jahrhundert weiterhin wertvolle Naturflächen vor unseren Augen zementiert und zerstört werden.

Der Ausbau der A66 durch den Fechenheimer Wald wurde, so wie viele andere überflüssige Bauprojekte, vor vielen Jahrzehnten beschlossen. In Zeiten, als die Klimakrise hier zu Lande weder sichtbar war noch wirklich ernst genommen wurde. Es kann nicht sein, dass auf Grund von Beschlüssen aus dem letzten Jahrhundert weiterhin wertvolle Naturflächen vor unseren Augen zementiert und zerstört werden.

Solche Beschlüsse gehören dringend auf den Prüfstand! Die Zeiten haben sich geändert, die Prioritäten haben sich geändert – nun müssen sich auch die Gesetze ändern.

Als am Mittwoch die Bagger und Erntemaschinen im Fechenheimer Wald anrollten und die Waldbesetzung mit einem abstrusen Polizeiaufgebot abgeriegelt und geräumt wurde, während fast zeitgleich der Bannwald in Langen für den Abbau von Kies gerodet und Lützerath für den Kohleabbau gewaltsam geräumt wurde, wurde einmal mehr unmissverständlich klar, was unser Staat unter „öffentlichem Interesse“ versteht – und wieviel Wert tatsächlich auf den Erhalt der Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen gelegt wird, wenn wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen.

Mit jedem gerodete Wald, mit jeder zerstörten Besetzung, mit jedem geräumten Mensch wird unser Widerstand größer und entschlossener.

Aber eins ist klar: Mit jedem gerodete Wald, mit jeder zerstörten Besetzung, mit jedem geräumten Mensch wird unser Widerstand größer und entschlossener.

Denn die Zerstörung von Dörfern und die Zementierung gesunder Naturflächen für eine Politik von vorgestern, die gegen unser Grundgesetz verstößt und in keinsterweise mit unseren Klimazielen vereinbar ist, wird nicht länger widerstandslos hingenommen!

Fecher: Bleibt! Lützi: Bleibt! Bannwald: Bleibt!
Alle Wälder: Bleiben! Alle Dörfer: Bleiben!

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