Schock für Ella: Das Gericht will die Danni-Aktivist*in zurück ins Gefängnis bringen

Vier Jahre nach ihrer Haftentlassung droht das Oberlandesgericht Ella mit einer erneuten Inhaftierung. Wir sprachen mit ihr.

Kaum ein Prozess sorgte nach der Räumung des Dannenröder Waldes für mehr Aufsehen: Aktivist*in Ella wurde 2020 während der Räumung eines Baumhausdorfes von Kletterpolizisten in schwindelnder Höhe gewaltsam aus einer Traverse gezerrt und geriet dabei in Panik. Ella wurde daraufhin vorgeworfen, die Beamten angegriffen zu haben und eingesperrt. Während ihres Prozesses verstrickten sich die Behörden immer wieder in Widersprüche und Ungereimtheiten. Viele Menschen gingen damals auf die Straße und forderten Ellas Freilassung. Nach anderthalb Jahren Untersuchungshaft wurde Ella schließlich aus der Haft entlassen.

Doch der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Ella muss nun sogar erneut um ihre Freiheit fürchten: Das Frankfurter Oberlandesgericht drohte ihr per Beschluss mit einer erneuten Inhaftierung. Ella erzählte uns von den aktuellen Entwicklungen und wie sie gelernt hat, mit den Repressionen umzugehen.

WsA: Wie hast du reagiert, als du gehört hast, dass das Gericht dich zurück ins Gefängnis bringen will?

Ella: Ich war damals schon ziemlich unsicher und wurde mitten in das Drama meiner eigenen Opfermentalität hineingezogen und fühlte mich schrecklich. Ich dachte sofort: „Das war’s, ich bin verdammt noch mal am Ende!“ und begann sogar, einen Selbstmordplan zu schmieden. In den darauffolgenden Tagen begann ich jedoch, die Dinge auf spiritueller Ebene neu zu bewerten und fragte mich: „Was, wenn meine Existenz hier dazu dient, dieses System zu bekämpfen und etwas Neues zu schaffen?“, „Was, wenn Reinkarnation wahr wäre und ich in sehr ähnliche Umstände zurückkehren würde, um diesen Zweck zu erfüllen?“. Ich bin meinen Feinden also zumindest dankbar, dass sie mich dazu gebracht haben, mich wieder auf eine seelischere Ebene einzustimmen. Obwohl ich es vorziehen würde, wenn sie einfach mit all ihrer Unterdrückung, ihrem Ökozid und allem anderen aufhören würden, damit wir auf angenehmere Weise mit unserer Seele in Kontakt treten könnten!

Wie rechtfertigt das Gericht seine Pläne, dich zurück ins Gefängnis zu bringen? Und wie denkst du darüber?

Ich weiß, dass das alles nur Show ist, um andere Aktivist*innen einzuschüchtern. Ich denke, die beste Reaktion darauf ist, uns nicht von Angst lähmen zu lassen und stattdessen voller Inbrunst mit dem was wir tun weiter zu machen.

Nach deiner Entlassung aus dem Gefängnis glaubten die meisten, der Fall sei abgeschlossen, aber anscheinend ist er es nicht. Kannst du uns einen aktuellen Stand des Gerichtsverfahrens geben? Wann wird der Prozess abgeschlossen sein?

Mein Anwalt hat dem Verfassungsgericht geschrieben und Argumente für meine Freilassung vorgebracht, aber das Gericht gibt keine Frist für eine Antwort.

Wie fühlst du dich jetzt und was wirst du dagegen tun?

Egal, wie mein Fall ausgeht, bin ich mittlerweile zuversichtlich, dass dieses Unterdrückungssystem früher oder später zusammenbrechen wird. Ob es nun eine Illusion oder ein Bewältigungsmechanismus ist, ich empfinde bereits jetzt Befriedigung bei dieser Vorstellung. Alles auf dieser Welt ist Energie, einschließlich Wahrheit und Verlangen. Diese Energie kann weder geschaffen noch kann sie zerstört werden – und sie kann dazu führen solche Ereignisse herbei zu führen.

Gibt es staatliche Vorschriften, die du während deiner Haftentlassung befolgen musst? Versucht der Staat, sich in dein Leben und deinen Aktivismus einzumischen?

Es wurden keine Bedingungen gestellt, nur dass ich gegen Angabe meiner Identität aus dem Gefängnis entlassen werde, was mir nach anderthalb Jahren auch gelang. Dieser Fall läuft schon seit über vier Jahren. Ich glaube, Menschen so lange warten zu lassen, ist Teil der Bestrafung. Wenn so etwas über dir schwebt, beeinträchtigt das offensichtlich das eigene Leben, während du dich lieber mit schöneren Dingen befassen würdest.

In welche Kämpfe warst du in letzter Zeit verwickelt, und planst du, diese fortzusetzen – im schlimmsten Fall sogar aus dem Gefängnis heraus? Woher nimmst du deine Kraft dazu?

Nach meiner Entlassung habe ich mich direkt der nächsten Waldbesetzung angeschlossen, denn ich bin überzeugt davon, dass die Bewahrung unserer Ökosysteme der beste Weg ist, die Artenvielfalt zu retten und die globale Erwärmung umzukehren. Das gibt mir Kraft und ist ein Ziel, über das ich in meinem Buch „Gefangenschaft überwinden“ geschrieben habe. Ich will darin Menschen auf den schlimmsten Fall vorzubereiten, wie zum Beispiel eine Entführung durch den Staat. Ich gehe offen mit fast allen Kämpfen um, denen ich begegne und entdecke überall Gemeinsamkeiten. Meine größte Herausforderung ist es, mein eigenes Nervensystem in den Griff zu bekommen, denn mir ist bewusst, dass meine Heilung auch die Bereiche, in denen ich mich befinde, beeinflussen wird.

Glaubst du, dass ein Mensch sich von einer so traumatisierenden Erfahrung wie einer Gefangenschaft je erholen kann, und hast du einen Rat, wie Menschen in solch schwierigen Zeiten resilient bleiben können?

Natürlich glaube ich das. Ich bin keine Expert*in, aber ich habe erlebt, dass Menschen es schaffen, nach derartigen Erlebnisse das komplette Gegenteil zu erfahren. Wie zum Beispiel extreme Einsamkeit zu erleben und dann ein intensives Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erleben. Manche flüchten sich hingegen in die Vorstellung, wie es gewesen wäre, wenn das Erlebte einen anderen Verlauf genommen hätten. Manchmal stelle ich mir vor, ich hätte es geschafft, mich aus der Bandschlinge zu befreien, mit der ich während meiner Verhaftung an den Baum gefesselt wurde. Die Vorstellung, in die Freiheit zu klettern, fühlt sich jedes mal wie eine Erleichterung an.

Ich halte es für notwendig, die wahren Gefühle in jeder Situation mit sicheren Menschen und in einem sicheren Umfeld zu verarbeiten. Wie man so schön sagt: Emotionen sind wie Wellen, sie hören niemals auf, wir werden nur zu besseren Surfern. Diese innere Arbeit hat es mir ermöglicht, Workshops zu leiten und diese Geschichten zu erzählen, ohne völlig zusammenzubrechen. Ich habe mich all die Angst, Traurigkeit und Wut spüren lassen und es irgendwie geschafft, sie in das Wesen zu integrieren, das ich heute bin.

In Bezug auf Resilienz geht es genau darum. Spüre alles, insbesondere Freude. Spüre körperliche Empfindungen, die dir Informationen vermitteln. Sei im Hier und Jetzt, baue Verbindungen auf, die dir etwas bedeuten. Denke daran, was die Welt braucht und dass du die Fähigkeit hast, es zu geben. Halte dein Herz offen.

Während deines Prozesses zeigten Menschen im ganzen Land Solidarität. Möchtest du ihnen etwas mitteilen und wie können sie dich jetzt unterstützen?

Ich bin so dankbar für euren Beistand und dafür, dass ihr mir in diesem Kampf zur Seite gestanden habt. Von all den Aktionen zu hören, mit denen auf meine Verhaftung reagiert wurde, hat mir wirklich Kraft gegeben. Die lustigen Briefe, die meine Stimmung aufgehellt haben. Die Sprechchöre im und vor dem Gerichtssaal, die alles so unwirklich erscheinen ließen.

Wenn ihr mich weiter unterstützen möchtet, schreibt mir gerne eine Nachricht an meine E-Mail-Adresse (burnimprisonment@inventati.org). Ich suche immer nach Möglichkeiten, Menschen mit Lesungen und Workshops zu mobilisieren. Zudem suche ich nach Wegen, meine mentale, emotionale und körperliche Gesundheit bestmöglich zu fördern, damit ich diese Arbeit möglichst gut machen kann.

Ansonsten vergesst nicht, dass Verlangen eine der stärksten Kräfte ist, um eine Evolution voranzutreiben. Also hört immer auf das, was euch Freude bereitet. Ich bin sicher, es wird mit meinem Wunsch nach transformativer Gerechtigkeit übereinstimmen. Alles ist miteinander verbunden und, um es mit den Worten von William Gillis zu sagen, „Eure Freiheit ist meine Freiheit.“

(Das Interview wurde auf Englisch geführt und von uns übersetzt.)


Siehe auch https://wald-statt-asphalt.net/free-ella/

Ähnliche Themen
rauf