Interview: Stimmen aus dem Wald fĂŒr den Wald

Ein Interview mit zwei Aktivist*innen aus dem Fechenheimer Wald:

Was war dein persönlicher Anlass in den Fecher zu kommen?

Nathanael: Ich war schon vorher in Waldbesetzungen. An diesen Orten gegen die Klimakrise zu kĂ€mpfen, gibt mir einen Sinn. Ich mag das hierarchiearme Zusammenleben, gemeinsam zu lernen, Neues auszuprobieren, etwas Neues zu schaffen, auf einmal 30 m hoch auf einem Baum zu stehen. Das ist fĂŒr mich Lebendigkeit.

Klara: I guess we all here share part of the same story with other occupations. Partly I am here because I thought I could do some positive change. Human mind creates stories and the stories repeat and here I can give my story kind of a better end. I am cautiously optimistic. Beyond any political stuff I am here ‚cause I really like climbing, being in nature. Yeah, climbing is what I really like.

(Klara: Ich vermute wir teilen hier mit anderen Besetzungen alle einen Teil der gleichen Geschichte . Zum Teil bin ich hier weil ich dachte, dass ich eine positive VerÀnderung bewirken könnte. Der menschliche Geist erschafft Geschichten und die Geschichten wiederholen sich und hier kann ich meiner eigenen Geschichte eine Art besseres Ende geben. Ich bin vorsichtig optimistisch. Jenseits von irgendwelchem politischem Kram bin ich hier, weil ich wirklich gerne klettere und in der Natur bin. Ja, klettern ist wirklich mein Ding.)

Wie sieht der Alltag in der Waldbesetzung aus?

Klara: It is mostly depending on the weather. When it is raining you can build, you do repro work (cleaning, dish wahsing, cooking,
). Here we do not have a separation between work and free time. It is important to personally take care of yourself that you don’t get lost into work.

(Klara: Es hĂ€ngt vor Allem vom Wetter ab. Wenn es regnet, kannst du bauen, Repro Arbeit machen (aufrĂ€umen, abspĂŒlen, kochen,…). Hier haben wir keine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Es ist wichtig selbst dafĂŒr zu sorgen, dass man sich nicht in Arbeit verliert.)

Nathanael: Die Zeit verlĂ€uft hier anders. Ich habe keine Uhr und kein Handy. Wenn ich keins frage, wie viel Uhr es ist, hab ich keine Ahnung. Es hat was, so zeitlos zu leben. Ich mag an diesem Alltag, dass er selbstorganisiert ist. Wenn wir etwas brauchen, mĂŒssen wir uns selbst drum kĂŒmmern, Wasser holen, Essen organisieren. Es passiert nichts, wenn wir es nicht anpacken.
Darum habe ich auch mehr WertschĂ€tzung fĂŒr die Dinge, besonders das Essen.

Was hat sich in deinem Leben verÀndert dadurch, dass du Teil der Waldbesetzung bist, deine Sichtweise?

Nathanael: Ich denke am meisten, was ich eben beschrieben habe: Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Das hat auch mein politisches Handeln beeinflusst. Ich bin entschlossener geworden.
Zu sehen, dass der Wald noch da ist, weil wir hier sind, gibt mir ein gutes GefĂŒhl. Und ich schĂ€tze diesen Ort als Lernort, wie wir miteinander umgehen, die Grenzen voneinander achten, wie wir uns organisieren.

Klara: I lived here for some time. You kind of need to exercise patience. I got more patient. Here you need to find solutions to elaborate an equilibrium with everyone.
Also you need to accept that things come and go. For example my powerbank. I had three. One broke when I climbed on a tree, the other one just disappeared and this one also disappeared and just turned up again today on this table. You learn to share things, everyone has needs and in the end of the day that are just things and not worth stressing over.

(Klara: Ich lebe nun seit einiger Zeit hier. Du musst dich in Geduld ĂŒben. Ich bin geduldiger geworden. Du musst Wege finden, um Ausgeglichenheit untereinander zu schaffen.

Du musst auch akzeptieren, dass die Dinge kommen und gehen. Zum Beispiel meine Powerbank. Ich hatte drei. Eine ging kaputt als ich auf einen Baum geklettert bin, die andere ist einfach verschwunden und diese hier ist auch verschwunden und dann heute wieder auf diesem Tisch aufgetaucht. Du lernst Sachen zu teilen, jeder hat BedĂŒrfnisse und am Ende des Tages sind das einfach nur Dinge und es nicht Wert deswegen gestresst zu sein.)


Wie sind fĂŒr dich die Begegnungen hier im Wald mit menschlichem und nicht-menschlichem Leben? Gab es Momente, die fĂŒr dich besonders eindrĂŒcklich waren?**

Klara: I saw the Heldbock KĂ€fer the first time. I showed it to someone who knew that it was special and took pictures and then a campaign was started.
That one affected me the most. I like squirrels. My favourite bird is the Buntspecht. We designed our kitchen that everything is kept in boxes otherwise mice come.

(Klara: Ich habe den Heldbock KĂ€fer das erste Mal gesehen. Ich habe es einem Mensch gezeigt, der wusste, dass er was Besonderes ist und Bilder gemacht hat. Dann wurde eine Kampagne daraus. Das hatte die grĂ¶ĂŸte Wirkung auf mich.

Ich mag Eichhörnchen. Mein Lieblingsvogel ist der Buntspecht. Und wir haben unsere KĂŒche so gestaltet, dass alles verschlossen aufbewahrt, weil sonst die MĂ€use kommen.)

Nathanael: Begegnungen mit Menschen aus den BIs, die das, was wir tun, vor Jahrzehnten schon gemacht haben, gegen AKWs protestieren etc., geben mir Kraft. Die kommen hier vorbei und sagen: Ihr fĂŒhrt hier das fort, was wir versucht haben.
Hier sind wir so nah an Frankfurt. Menschen kommen aus ganz verschiedenen GrĂŒnden vorbei. Manche auch, weil sie keine Wohnung haben. Sie können hier sein und finden Anschluss, Menschen zum Reden, ein warmes Essen.
Wir sind hier schon eine kleine “Gemeinschaft” mit viel gegenseitiger UnterstĂŒtzung.
Dann sitzt hier auf einmal ein Vogel vor dir und pickt dir was von deinem Teller. Weit oben in der Baumkrone zu sein ist ein besonderes GefĂŒhl.

Klara: The trees, somehow I can connect with them. You kind of start seeing characteristics in them like oaks are really strong, heavy, firm and wise. Beeches more lively. Hazel is like a familiar neighbour. The mind adapts to what you know.

(Klara: Die BÀume, irgendwie merke ich, dass ich eine Verbindung zu ihnen aufbauen kann. Du fÀngst an Eigenschaften in ihnen zu sehen so wie dass Eichen wirklich stark sind, mÀchtig, standhaft und weise.

Buchen sind lebhafter. Haselnuss ist wie ein vertrauter Nachbar. Der Verstand gleicht die Dinge an das an, was man kennt.)

Kannst du dir nach dieser Zeit im Wald vorstellen, irgendwann wieder in einer anderen Form zu leben und zu wohnen, in einem Zimmer, einer Wohnung?

Klara: I am at the moment looking for a room or flat. I don’t want to leave Frankfurt. I had a beautiful time here but a safe space is a safe space and a forest occupation is not a safe space. And winters are cold.

(Klara: Ich suche im Moment nach einem Zimmer oder einer Wohnung. Ich will nicht weg aus Frankfurt. Ich hatte eine schöne Zeit hier aber ein sicherer Ort ist und bleibt ein sicherer Ort und eine Waldbesetzung ist kein sicherer Ort. Und die Winter sind kalt.)

Nathanael: Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen wieder in einer normalen Wohnung zu leben, werde die Natur aber vermissen. Nach lĂ€ngerer Zeit hier ist die Zivilisation auch ĂŒberwĂ€ltigend. Manchmal fĂŒhle ich mich dann wie ein Fremdkörper und bin total ĂŒberfordert von der Stadt mit gr0ßen SupermĂ€rkten, GerĂŒchen, Lauten,

Im Wald zu leben ist fĂŒr mich eine politische Aktion. Das alle Menschen so wie wir hier im Wald leben, ist nicht meine Forderung.


Was wĂŒnscht du dir von Menschen, die die Besetzung besuchen, also in euer momentanes Zu Hause kommen?

Nathanael: Ehrlich gesagt nichts Besonderes. Die Besetzungen sind fĂŒr alle Menschen offen, jeder Mensch ist willkommen. Ich erwarte, was ich von allen Menschen erwarte: respektvoll sein, nicht diskriminierend, den Wald nicht verschmutzen, einfache Grundanforderungen im Miteinander.
Manchmal hab ich mehr Lust, Menschen zu sehen und verbringe meine Zeit mit Zusammensitzen und Reden, das ist eigentlich meine HauptbeschĂ€ftigung im Wald (lacht). Manchmal habe ich auch keine Lust, dann ziehe ich mich in die Natur zurĂŒck.
Manche Menschen haben von unserem Leben vielleicht keine Ahnung, z.B. von unserem VerstĂ€ndnis von Gender. Dann spricht ein Mensch, der zu Besuch ist, einen Menschen mit “er” an, obwohl dieser Mensch gar nicht als “er” angesprochen werden möchte. Doch das ist ein Prozess des gemeinsamen Lernens und Lernens. Das hier ist ein Ort des Lernens und ich wĂŒnsche mir, dass Menschen Lust haben, sich darauf einzulassen.

Klara: I would hope that people like to support or even live here. Right now it is important that people sleep here because otherwise the forest can be blocked easily one early morning by the police and no-one is here. I also think about the concept of learning. I would like people to see this place and life in general as an opportunity to learn. If you are interested in learning about climbing, building and yourself, this is the right place.

(Klara: Meine Hoffnung wĂ€re, dass mehr Menschen unterstĂŒtzen möchten oder sogar hier leben möchten. Gerade jetzt ist es wichtig, dass Menschen hier schlafen, sonst kann der Wald frĂŒh am Morgen leicht von der Polizei zugemacht werden und keiner ist da. Ich denke auch an das Konzept des Lernens. Ich wĂŒnschte, dass Menschen diesen Ort und das Leben im Allgemeinen als Gelegenheit zum Lernen betrachten. Wenn du Interesse hast, etwas ĂŒbers Klettern, Bauen und dich selbst zu lernen, bist du hier am richtigen Ort.)

Kannst du im im Wald gut schlafen bzw. hat sich dein Schlaf verÀndert im Gegensatz zum Schlaf in einem Zimmer in einer Wohnung?

Nathanael: Ich gehe frĂŒher schlafen, bewege mich tagsĂŒber mehr und bin dann auch abends richtig mĂŒde. Ich gehe meist schlafen, wenn es dann richtig dunkel wird. Es ist auf jeden Fall kĂ€lter im Wald. Morgens bleibe ich lĂ€nger liegen.
Ich kann insgesamt sehr gut schlafen. Es ist auch sehr unterschiedlich in welchem Baumhaus und auf welcher Matratze ich schlafe.

Klara: I really mostly depends on which tree house you sleep in. And people don’t wake up at 6 or 7 in the morning.
And it is really important to have squirrel safe containers for food. Never leave food standing around open in your tree house.
One morning I woke up in a tree house in the early morning and I heard some noise. I had a package of muesli next to me. A squirrel had eaten half of it and it had shit into the package with the rest.

(Klara: Es hÀngt wiklich am meisten davon ab, in welchem Baumhaus du schlÀfst. Und Menschen stehen hier nicht um 6 oder 7 Uhr morgens auf.

Und es ist echt wichtig, dass du Essen in Eichhörnchen-sichere Dosen packst. Lass das Essen niemals offen in deinem Baumhaus stehen. Eines Morgens gegen 5 Uhr wachte ich im Baumhaus auf und hörte GerĂ€usche. Ich hatte eine Packung MĂŒsli neben mir stehen gehabt. Ein Eichhörnchen hatte die HĂ€lfte gegessen und in den Rest der Packung reingekackt.)

Noch mehr Stimmen aus dem Wald

Weitere Stimmen aus dem Wald findet ihr in unserer gleichnahmigen Videoreihe:

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